Ich bin
Sylvester 2020
Ich hatte in meinem Leben manchmal das Gefühl, dass ich eigentlich nicht existieren dürfte. Kennt ihr das? Den Eindruck fehl am Platz zu sein, irgendwie zur falschen Zeit am falschen Ort und den dabei Gedanken, dass es besser wäre, es würde euch gar nicht geben, ihr wäret nie geboren worden? Ein unglaublich aggressiver Mix aus Scham und Schuld und Selbstangriff und die Idee, wenn ich mich selbst zerstöre, dann hört dieser Schmerz, dieses „Falschsein“ auf? Kennt ihr das?
Irgendwann kam der Zeitpunkt, an dem ich darauf aufmerksam wurde, dass ich da bin. Ich habe bemerkt, dass es mich gibt, meinen Körper, hier auf dieser Erde und so etwas wie Bewusstsein, das gerade ein massgeschneidertes Kleid einer Identität trägt (mit ein paar Paietten). Das hat meinen Selbstzweifeln schlagartig die argumentative Kraft entzogen: Ich bin da. Egal ob ich das sollte oder nicht, ob ich nun geplant, gewünscht, herbeigesehnt war oder nicht: Ich bin da. Ich existiere. Das ist der Zustand, das ist die Tatsache, die in dieser Welt gilt.
Ich fühlte die beginnende Entspannung. Dieser mein Körper lebt! Egal, welche Umstände dazu führten und wie ich die beurteile und interpretiere, ich lebe hier und jetzt. Daran ist nicht zu rütteln. Ich kann das Leben in meinem Körper spüren, mit den Zehen wackeln, atmen. Ich kann meinem Geist beim Denken zuhören und zusehen. Ich kann diese Erde auf meine Art und Weise wahrnehmen.
Offenbar gab es viele Kräfte, die damit einverstanden waren, dass ich entstehe, denn sonst könnte so ein Embryo gar nicht gedeihen.
Im Grunde bin ich ein wandelndes JA.
Und du auch.
Wir alle sind ein JA.
Ein Ja zu unserer persönlichen Existenz, ein Ja zum Leben selbst, ein Ja zu dieser Erde und ein Ja zu dieser Zeit.
In diesem Sinne wünsche ich dir einen wundervollen Vollmond, ein gutes Ende und einen guten Beginn.